Verkehrsunfall – Sachverständigenkosten richtig geltend machen

Wer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend macht, muss seinen Schaden „beziffern“. Bei beschädigten Kraftfahrzeugen ist das oft nur durch die Einschaltung eines Sachverständigen möglich.
Die Auswahl des richtigen Sachverständigen ist für den Geschädigten besonders wichtig. Der Sachverständige muss kompetent und unabhängig sein. Das Gutachten muss vom Geschädigten bezahlt werden.

Drei Dinge sind besonders zu beachten:

1.) Den Sachverständigen unbedingt selbst auswählen und beauftragen!

Die schadensersatzpflichtige Versicherung wirbt gerne damit, dem Geschädigten „einfach, schnell und unkompliziert“ einen von ihr ausgewählten Sachverständigen zur Begutachtung zu schicken. „Anruf genügt“.
Darauf muss der Geschädigte sich nicht einlassen. Jeder Geschädigte hat Anspruch auf einen unabhängigen, von ihm selbst ausgewählten Sachverständigen. Dessen Gutachten muss die zahlungspflichtige Versicherung ebenso akzeptieren, wie ein von ihr selbst bestelltes. Das ist seit Jahren gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

2.) Die Bezahlung des Sachverständigen richtig vereinbaren!

Der vom Geschädigten selbst gewählte Sachverständige verlangt für seine Dienste natürlich ein Honorar. Schließlich lebt er von seiner Arbeit.
Das Honorar des Sachverständigen muss der Unfallverursacher dem Geschädigten ebenfalls als Schadensersatz erstatten.
Üblich ist aber, dass der geschädigte Fahrzeugeigentümer den Sachverständigen nicht sofort bezahlen muss. Nahezu immer bietet der Sachverständige dem Geschädigten an, dass mit der Bezahlung des Honorars abgewartet werden kann, bis die Versicherung des Unfallgegners den Schaden ersetzt hat. Im Gegenzug für diesen Zahlungsaufschub soll der Geschädigte seinen Anspruch gegen den Unfallgegner und dessen Versicherung in Höhe des Honorars an den Sachverständigen abtreten, § 398 BGB. Diese Abtretung muss wirksam vereinbart sein.


Die Abtretung ist ein (weiterer) Vertrag zwischen dem Geschädigten und seinem Sachverständigen. Nur wenn dieser Vertrag wirksam ist, muss die Versicherung des Unfallgegners später die Kosten des Gutachtens direkt an den Sachverständigen bezahlen und damit den Geschädigten von seiner eigenen Zahlungschuld gegenüber dem Sachverständigen befreien.

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 21.06.2016, VI ZR 475/15 und VI ZR 476/15, VI ZR 477/15) hat nun entschieden, dass eine solche Abtretung unwirksam ist wenn der Sachverständige sich zur Sicherung seines Honoraranspruchs vom Geschädigten nicht nur den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten abtreten lässt, sondern auch weitere Schadensersatzansprüche des Unfallopfers (z. B.: auf Zahlung von Nutzungsausfallentschädigung, Wertminderung, Reparaturkosten, Auslagenpauschale). Solche Abtretungsklauseln sind für den Auftraggeber des Sachverständigen „überraschend“ gem. § 305c Abs. 1 BGB.


Der Geschädigte muss also darauf achten, dass er nicht „zuviel“ von seinem Schadensersatzanspruch an den Sachverständigen überträgt.

3.) Factoring erlauben? Persönliche Daten und eigene Entscheidungsfreiheit schützen!

Die Regulierung („Bezahlung“) von Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall kann, je nach Streitlust des Unfallverursachers und dessen Versicherung, statt nur kurzer Zeit (zwei bis vier Wochen) auch Monate dauern. Um trotzdem schnell an ihr bereits verdientes Honorar zu kommen, helfen sich Sachverständige darum teilweise mit einem „Verkauf“ der ihnen vom Geschädigten abgetretenen Schadenersatzforderung an einen Dritten.
Dafür treten sie den Anspruch des Geschädigten selbst weiter ab, an eine sogenannte „Verrechnungsstelle“. Durch diesen Verkauf („Factoring“) und die Weiterabtretung der Ansprüche erhält der Sachverständige sofort Geld.

Der Sachverständige muss der „Verrechnungsstelle“ dafür aber die vollständigen Daten seines Auftraggebers, des Geschädigten, einschließlich der Daten seines Fahrzeugs preisgeben. Das ist nur mit der Zustimmung des Geschädigten zulässig (Datenschutz!). Hat der Sachverständige den Geschädigten vorher darüber aufgeklärt und war das Unfallopfer damit einverstanden, ist dagegen eigentlich nichts einzuwenden.

Aber: das dem Sachverständigen günstige „Factoring“ kann für den Geschädigten später ein erheblicher Nachteil sein:
der Geschädigte verliert damit sein Recht, den Zahlungsanspruch selbst in voller Höhe gerichtlich geltend zu machen. Von der Höhe des dem Geschädigten (noch) zustehenden Schadensersatzanspruchs hängt aber unter anderem ab,

• welches Gericht (Amtsgericht oder Landgericht?) im Streitfall zuständig wird,
• ob gegen ein Urteil später Rechtsmittel zulässig sind, und
• wie in einem Prozess Beweise erhoben werden.

Der Geschädigte verliert damit auch sein Recht, in einem Prozess selbst unbeschränkt über den Schadensersatzanspruch zu verfügen. Einen für ihn vorteilhaften Vergleich, auch einen vom Gericht vorgeschlagenen, darf er dann nicht mehr abschließen wenn es darin auch um das Sachverständigenhonorar geht.

Als Rechtsanwalt werde ich darum immer davon abraten, dem Sachverständigen einen „Verkauf“ der abgetretenen Schadenersatzforderung zu erlauben. Meinen Mandanten empfehle ich nur solche Sachverständige, die im Interesse des Geschädigten darauf verzichten. Schließlich geht es um Ihr Geld.

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