Wer hilft, wenn die „Mietpreisbremse“ nicht bremst? Schlechte Nachrichten aus Karlsruhe für Mieter

Der Bundesgerichtshof hat heute ein Urteil zur sog. „Mietpreisbremse“ gesprochen, das viele Wohnungsmieter nicht freuen dürfte. Einige Bundesländer waren ab 2015 nicht in der Lage, den gem. § 556 d BGB („Mietpreisbremse II“) bundesweit möglichen Schutz von Wohnungsmietern in Ballungsgebieten wirksam umzusetzen.

Um Mieterhöhungsmöglichkeiten weiter zu regulieren (zu beschränken), bedurfte es dafür im jeweiligen Bundesland „nur“ des Erlasses einer Rechtsverordnung. Damit waren „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ festzulegen und diese, gesetzlich geforderte „Anspannung“ in der Rechtsverordnung zu begründen. Eigentlich ganz einfach.

Einige Bundesländer haben in Ihren Rechtsverordnungen auf die Veröffentlichung der notwendigen Begründung aber verzichtet. Wie die taz heute meint: aus purem Geiz, um Lizenzgebühren zu sparen. Zum Nachteil der Mieter.

Die fehlerhaften Rechtsverordnungen waren unwirksam. Die Mieterschutzvorschriften der „Mietpreisbremse II“ traten nicht in Kraft. Wohnungsmieten konnten bei der Neuvermietung auch in Ballungsräumen dieser Länder, trotz „angespanntem Wohnungsmarkt“ – ganz legal – wie zuvor erhöht werden (Urteil des BGH vom 17. Juli 2019 – VIII ZR 130/18).

Der Erlass neuer, rechtskonformer Rechtsverordnungen konnte den Mietern nicht mehr helfen. Die über § 556 d Abs.1 BGB hinausgehenden, höheren Wohnungsmieten können nicht zurückgefordert werden und sind von den Mietern auch für die Zukunft weiter zu bezahlen.

Wohnungsmieter können für die daraus resultierenden (dauerhaft) höheren Mieten keinen Schadensersatz vom verantwortlichen Bundesland verlangen. Das hat der BGH nun endgültig entschieden (PM zum Urteil vom 28.01.2021 – III ZR 25/20 –) .

Fazit: Was gut gemeint ist, muss auch gut gemacht werden. Der Verordnungsgeber muss sein Handwerk beherrschen. Hektische Betriebsamkeit genügt nicht.


„Abgasskandal“: Der BGH spricht Klartext

Klare Worte aus Karlsruhe: VW muss seine „Schummeldiesel“ mit EA 189-Motor zurück nehmen, wenn der Fahrzeugkäufer es verlangt. Ein „Softwareupdate“ genügt nicht.
Der BGH (VI ZR 252/19) hat heute entschieden:
wird ein Pkw mit „Schummelsoftware“ auf den Markt gebracht, ist das ein Betrug des Fahrzeugherstellers am jeweiligen Käufer und der Hersteller dadurch selbst schadensersatzpflichtig, gem. § 826 BGB. Dabei ist es egal, ob der Kunde einen Neuwagen oder ein Gebrauchtfahrzeug erworben hat.
Die schriftlichen Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor. Die heutige Pressemeldung des BGH lässt aber auch für das Urteil ganz deutliche Worte des obersten deutschen Zivilgerichts erwarten. Der BGH hat VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Endkunden verurteilt. Auszug:

„Die Beklagte hat … bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch … Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt.“

Mein Dank gilt dem Kläger.
Der hat sich seine Klage nicht durch einen – ihm von VW ganz sicher angebotenen – Vergleich „abkaufen“ lassen und damit den Weg zu dieser, für viele tausend weitere Verbraucher noch wichtigen, BGH-Entscheidung geebnet.

BGH: die Kosten einer Beilackierung …

… stehen dem Geschädigten als Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auch dann zu, wenn der Fahrzeugschaden auf „Gutachtenbasis“ abgerechnet wird. Das Urteil:
BGH, Urteil vom 17. September 2019 – VI ZR 494/18.

Viele Versicherer werden einen ihrer beliebtesten Textbausteine entsorgen müssen. Dieser lautet immer etwa gleich:

„Die Kosten einer Beilackierung sind nicht schadenbedingt“

oder auch:
„Die Kosten einer Beilackierung sind schadenbedingt nicht erforderlich“

Damit ist nun Schluß.
Ganz unmißverständlich hat der VI. Zivilsenat erklärt, warum die eintrittspflichtige Versicherung des Unfallgegners dem Geschädigten nicht vorhalten kann, die Kosten einer Farbtonangleichung unbeschädigter Karosserieteile seien per se nicht erstattungsfähig, oder das Fahrzeug müsse zunächst repariert werden, bevor die Erstattung von Kosten der Lackierung an die Schadenstelle angrenzender Bauteile möglich sei.

Abgasskandal – Neues vom BGH …

…  aber wieder kein Urteil.
Am 27.02. sollte in Karlsruhe über die juristische Bewertung der von VW in Dieselfahrzeugen verbauten Abschalt-vorrichtung verhandelt werden.

Der Käufer eines VW Tiguan hatte von seinem Händler die Ersatz-lieferung eines neuen Pkw – ohne Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung – verlangt. Er berief sich darauf, dass die ab Werk auch in seinem Neuwagen verbaute „Schummelsoftware“ einen erheblichen Sachmangel des verkauften Fahrzeugs darstelle.

NEIN “ riefen Händler und Hersteller – und so urteilte auch noch das OLG Bamberg und wies die Klage des Käufers ab. Das OLG ließ in seinem Urteil die Revision zum BGH nicht zu. Dagegen legte der Käufer Beschwerde ein, die der BGH mit Beschluss vom 16.10.2018 auch zuließ.
Erfolg für den Käufer auch in der Sache: der BGH (Gz.: VIII ZR 225/17) beurteilt die Rechtslage offenbar genauso wie der Käufer: „JA – Sachmangel!“

Seine Rechtsauffassung teilte das Gericht den Prozessparteien am 08.01.19 in einem Hinweisbeschluss mit (Pressemitteilung dazu).

Nun wurde der Verhandlungstermin kurzfrstig aufgehoben.
Die Parteien haben sich verglichen und damit den Rechtsstreit beendet. Der BGH kann darum über die Rechtsfrage nicht mehr durch Urtel entscheiden. Wie schon zuvor (Verfahren – VIII ZR 78/2018 – um einen Skoda Octavia mit Verhandlungstermin am 09.01.19) hat der Fahrzeughersteller VW damit die „Notbremse“ gezogen, um einer Verurteilung durch das höchste deutsche Zivilgericht zu entgehen.

Fazit:  Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!“

Die Presseabteilung von VW sieht das auftragsgemäß anders und teilt unverdrossen mit, dass es gar keinen Sinn habe, juristisch gegen das Unternehmen und seine Vertragshändler vorzugehen. O-Ton VW:


„In Deutschland laufen aktuell zahlreiche Diesel-Verfahren. Die meisten werden zugunsten des Volkswagen Konzerns bzw. der Händler entschieden. Eine höchstrichterliche Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof steht allerdings noch aus.“


Schwamm drüber.
Irgendwas müssen die Presseleute aus Wolfsburg für den Aktienkurs des eigenen Brötchengebers ja tun. Dieser hilflose Versuch, die Welt außerhalb der eigenen Blase dazu passend zu interpretieren und weiter die Deutungshoheit für sich zu beanspruchen, ist nicht neu in Deutschland:  Pfeifen im Walde , TM von E.H..

 

Mieterhöhung – Kein gesetzliches Widerrufsrecht für Mieter

Der Bundesgerichtshof hat am 17.10.2018 (VIII ZR 94/2017) entschieden:
Mietern steht kein gesetzliches Widerrufsrecht zu, wenn sie die Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters erklärt haben.
Der für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH meint, die Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte seien auf Mietverhältnisse über Wohnraum nicht anwendbar.
§ 312 Abs. 4 S. 1 BGB gelte zwar nach dem Wortlaut ausdrücklich auch für Wohnraummietverträge, sei nach Sinn und Zweck des Widerrufsrechts und der sonstigen mietrechtlchen Vorschriften aber einschränkend auszulegen – und darum unanwendbar.

Geklagt hatte ein Berliner Mieter, der einer schriftlich verlangten Mieterhöhung zunächst zugestimmt, es sich später aber anders überlegt und die Zustimmung widerrufen hatte. Der BGH hat den Mieter, trotz seines Widerrufs, nun endgültig zur Zahlung der Mieterhöhungen verurteilt.

Der Deutsche Mieterbund kritisiert die Entscheidung. Die Vermieter-verbände begrüßen das Urteil des BGH.

Nicht entschieden hat der BGH bisher, ob der Mieter eine einmal erklärte Zustimmung widerrufen kann, wenn er vom Vermieter vorher über ein (gesetzlich nicht bestehendes) Widerrufsrecht belehrt worden ist und damit zur Abgabe  einer Erklärung aufgefordert worden ist.
Ein Widerrufsrecht kann der anderen Vertragspartei auch „freiwillig“ eingeräumt werden, ohne dass das Gesetz es vorschreibt (vertragliches Widerrufsrecht). Genau das haben viele Vermieter bisher praktiziert, um mit einem Zustimmungsverlangen „auf der sicheren Seite“ zu sein.
In diesen Fällen ist weiterer Streit vorprogrammiert. Für ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrechts gilt die Argumentation des BGH nicht.